Kurzfassung
1. Einführung
Die Rahmenbedingungen für die Regionalplanung verändern sich dynamisch und erfordern methodische Weiterentwicklungen. Auf der einen Seite gerät die traditionelle, förmliche Regionalplanung als Planungsinstanz auf der regionalen Ebene vor allem im Zuge der allgemeinen Diskussion um Verwaltungsreformen in die Kritik. Auf der anderen Seite gewinnt die regionale Ebene insbesondere aufgrund des gewandelten Staats- und Planungsverständnisses zunehmend an Bedeutung. Hiermit ist gleichfalls ein Bedarf an institutionellen Innovationen verbunden, sodass die regionalplanerische Praxis bereits im Wandel begriffen ist und es auch vielfältige theoretische Überlegungen über die Fortentwicklung des regionalplanerischen Aufgabenfelds gibt. Letztere konzentrieren sich vornehmlich auf prozessgestaltende Aspekte wie neue Kooperations- und Koordinationsstrategien sowie verstärkte Informations-, Beratungs- und Moderationstätigkeiten. Demgegenüber gerät die Diskussion um neue, dem sich wandelnden Aufgabenfeld angepasste Instrumente nur zögerlich in Bewegung. Hier setzt die vorliegende Arbeit an, da zu den bereits bestehenden Entwicklungen mit dem neuen gesamtgesellschaftlichen Leitbild der nachhaltigen Entwicklung neue Anforderungen hinzukommen, die mit dem vorhandenen Planungsinstrumentarium nicht abgedeckt werden können.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, Perspektiven für eine "zukunftsfähigere"(1) Instrumentalisierung der Regionalplanung auszuloten, verbunden mit dem Anspruch, hiermit gleichzeitig Chancen für deren Stärkung im regionalen Akteursfeld auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung zu identifizieren. Dabei konzentriert sich die Analyse auf Methoden der Umweltbilanzierung, weil das "Bilanz ziehen" im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion zunehmend populärer wird und hiermit auch für die Weiterentwicklung regionalplanerischer Aufgaben sehr weit gefasste Erwartungen verbunden sind, der methodische Kenntnisstand über die verfügbaren Umweltbilanzmethoden demgegenüber aber sehr begrenzt ist.
2. Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Regionalplanung oder:
Das Profil einer "Zukunftsfähigen Regionalen Planung"
In Kapitel 2 werden die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Regionalplanung beleuchtet und hieraus ein Rahmen für die Analyse der vielfältigen Umweltbilanzansätze entwickelt.
Neben dem allgemeinen Wandel im staatlichen Planungsverständnis sowie damit verbunden auch dem der Regionalplanung im Besonderen (s. Kap. 2.1) wird dabei ein Schwerpunkt auf die Nachzeichnung des wissenschaftlichen Diskussionsstands zum neuen gesamtgesellschaftlichen Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gelegt (s. Kap. 2.2). Denn obwohl dieses auch im neuen Raumordnungsgesetz (ROG) als raumordnerisches Leitbild verankert ist, ist es in seiner Bedeutung für zukünftige regionalplanerische Aufgaben bisher kaum reflektiert. Hieraus ergibt sich, dass mit dem Nachhaltigkeitsleitbild neue räumliche, inhaltliche und zeitliche Dimensionen verbunden sind, für die die traditionellen Planungsinstrumentarien und -methoden keine ausreichende Lösung bieten. Denn aus dem Grundkonsens über die Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung resultieren neue Entscheidungsparameter wie die Beachtung globaler Aspekte sowie der haushälterische Umgang mit den natürlichen Ressourcen und die Beachtung der Konsistenz der Stoffströme(2). Dem gegenüber konzentrieren sich die traditionellen regionalplanerischen Instrumentarien und Methoden auf die regionalen Aspekte und auf ein einzelnes Problemfeld, wie den Umgang mit den knappen Flächenressourcen. Zwar kann die Regionalplanung durch die räumlich-strukturierende Ordnung des Raumes indirekte Beiträge für die Steuerung der übrigen Ressourcenverbräuche und der Stoffströme leisten, jedoch sind hierdurch mittel- bis kurzfristig nur wenige positive Effekte zu erwarten.
Dem gegenüber könnte die Regionalplanung aus prozessualer Sicht eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung spielen, denn es besteht Konsens, dass Nachhaltigkeit nur als gesellschaftlich diskursives Leitbild bestimmbar ist und die Umsetzung partizipative und selbstorganisierend gestaltete Such-, Lern- und Verständigungsprozesse voraussetzt. Hierfür kommt der regionalen Ebene eine besondere Bedeutung zu, und aufgrund ihrer neutralen Position im regionalen Akteursfeld könnte die Regionalplanung (theoretisch) die Gestaltung der notwendigen gesellschaftlichen Diskurse übernehmen (s. Kap. 2.3).
Zusammenfassend wird vor diesem Hintergrund ein weitgefasstes Profil einer "Zukunftsfähigen Regionalen Planung"(3) entwickelt, das im Folgenden als Rahmen für die Analyse der Umweltbilanzen verwendet wird (s. Kap. 2.4). Dieses bezieht sich auf die allgemeinen Komponenten von Planungsprozessen wie die formalen Schritte zur Informationsgewinnung und -verarbeitung (Analyse, Bewertung, Alternativenentwicklung, Zielfindung, Monitoring, Erfolgskontrolle) sowie auf die Gestaltung von Prozessen zur Konsensfindung und berücksichtigt maßgeblich neue Anforderungen, die sich aus der wissenschaftlichen Diskussion zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ableiten lassen. Dabei ist ein ökologischer Zugang gewählt worden, weil sich nur hierfür aus der Literatur allgemeine Hinweise gewinnen lassen.
3. Die verschiedenen Umweltbilanzmethoden und
Erfolgversprechendsten Ansätze
In Kapitel 3 wird eine Übersicht über die verfügbaren Umweltbilanzmethoden hergestellt. Da derzeit eine Vielzahl unterschiedlicher methodischer Ansätze zu diesem Thema zu finden ist und besonders die Bilanzverständnisse der räumlichen Umweltplanung sowie die der neueren Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsdiskussion weit auseinander gehen, wird der Umweltbilanzbegriff dabei weitgefasst für solche Methoden verwendet, die sich im weitesten Sinne mit der "Bilanzierung" von Teilaspekten der natürlichen Umwelt befassen.
Zur Systematisierung der verschiedenen Ansätze werden zunächst der Bilanz-Begriff sowie grundlegende Bilanzverständnisse geklärt und deren methodische Charakteristiken herausgearbeitet (s. Kap. 3.1). Auf dieser Basis lassen sich die vorzufindenen Umweltbilanzansätze stark vereinfacht in drei Typen einteilen. Dieses sind:
- Ansätze, die im umgangssprachlichen Sinne nach Ablauf einer bestimmter Periode ein Fazit bzw. "Bilanz ziehen"
- Ansätze, die sich an das kaufmännische Bilanzverständnis bzw. an andere Methoden des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens anlehnen und
- Ansätze, die auf dem naturwissenschaftlichen, physikalischen Bilanzprinzip basieren, d. h. bei denen auf der Basis der Massen- und Energieerhaltungssätze physikalische Größen gegenüber gestellt werden.
Dabei lässt sich feststellen, dass in der räumlichen Umweltplanung bisher eine sehr weitgefasste, aber wenig präzise Umweltbilanzauffassung vorherrscht, die entweder von einem umgangssprachlichen Begriffsverständnis im Sinne eines abschließenden Fazits bzw. "Bilanz ziehens" geprägt ist, oder sich an kaufmännische Bilanzprinzipien bzw. andere Methoden des kaufmännischen Rechnungswesens anlehnt, wobei die Übergänge in der Regel fließend sind (s. Kap. 3.2.1). Im Hinblick auf das Anforderungsprofil einer Zukunftsfähigen Regionalen Planung erscheinen jedoch beide Typen nicht geeignet, hieran eine vertiefende Analyse anzuknüpfen. Denn während mit dem erst genannten Typus keine besonderen methodischen Anforderungen verbunden sind und dieser zudem nur im weitesten Sinne mit der originären Wortbedeutung des Bilanzbegriffs korrespondiert, sind die an das kaufmännische Prinzip angelehnten Umweltbilanzen untrennbar mit einer Klärung der beiden Grundfragen der Bilanzierung verbunden, d. h. den Fragen, welche Bilanzgrößen in eine Bilanz aufzunehmen sind und mit welchem Wert diese angesetzt werden sollen. Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion führt dieses unweigerlich zu der Frage nach den geeigneten Indikatoren, wofür es bisher weder eine wissenschaftlich-theoretische Basis noch einen gesellschaftspolitischen Konsens gibt. Demzufolge können entsprechende Umweltbilanzen letztlich nur problembezogen in Verbindung mit einer Wertediskussion erstellt werden (s. Kap. 3.2.2.1).
Andere Perspektiven eröffnen dem gegenüber die Ansätze auf der Basis des physikalischen Bilanzprinzips, einem analytischen Prinzip, das am Beginn der Ursache-Wirkungskette ansetzt und dessen theoretische Fundierung auch den konsensualen, grundlegenden Managementregeln einer nachhaltigen Entwicklung zugrunde liegt. Insofern hat das mit langer Tradition in zahlreichen Disziplinen verwendete physikalische Bilanzprinzip - bzw. die Stoff- und Energiebilanzierung oder Stoffflussanalysetechnik - durch die Nachhaltigkeitsdiskussion eine besondere Dynamik erhalten und sich zu einem rapide wachsenden Forschungsfeld entwickelt (s. Kap. 3.2.2.2). Verbreitet sind insbesondere reduktionistische Ansätze, die sich auf ausgewählte Stoff- und Energieströme konzentrieren, z. B. weil diese ein besonderes Gefährdungspotential aufweisen oder weil sie aus quantitativer Sicht als bedeutsam erachtet werden. Gleichzeitig wird im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion jedoch auch deutlich, dass reduktionistische Betrachtungsweisen allein langfristig nicht ausreichen, sondern - in besonderem Maße auch aus einer gesamtplanerischen Perspektive heraus - holistischere Herangehensweisen geboten sind, mit denen zudem sowohl quantitativ bedeutsame Ressourcenverbräuche, als auch qualitativ bedeutsame Stoffströme analysiert und planerisch zugänglich gemacht werden können. Am weitest gehenden wird dieses bisher von Ansätzen zur Analyse wirtschaftlicher Prozesse erfüllt.
Vor diesem Hintergrund werden aus dem vorhandenen Spektrum der Stoff- und Energiebilanzen drei unterschiedliche Ansätze ausgewählt, die im Hinblick auf eine Zukunftsfähige Regionale Planung am Erfolg versprechendsten erscheinen (s. Kap. 3.2.2) und demzufolge näher betrachtet werden. Hierzu gehören erstens ein gesamtwirtschaftlicher Ansatz, zweitens einzelbetriebliche Ansätze zur Analyse wirtschaftlicher Prozesse und drittens über die analytische Ebene hinaus aus bewertungsmethodischer Sicht die Ökobilanz-Methodik.
4. Die potenzielle Bedeutung der regionenbezogenen Bilanzierung am
Beispiel der "Stoffstrombilanz Ruhrgebiet"
Mit der "Stoffstrombilanz Ruhrgebiet" ist von Seiten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie (Wuppertal Institut) ein Ansatz für die Analyse der wirtschaftsbedingten Stoff- und Energieströme einer Region entwickelt worden, der in Kapitel 4 näher betrachet wird.
Die Methodik steht in engem Kontext zu den nationalen Material- und Energieflussrechnungen (MEFR), die als Teilrechnungen der im Aufbau befindlichen nationalen Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) entwickelt werden, sodass zunächst deren wesentliche methodische Grundzüge betrachtet werden (s. Kap. 4.1). Vor diesem Hintergrund kann gezeigt werden, dass die Stoffstrombilanz für das Ruhrgebiet das methodische Pendant zur nationalen Materialflussbilanz(4) darstellt, die von Seiten des Statistischen Bundesamts inzwischen jährlich erarbeitet und veröffentlicht wird. Während die Methodik also prinzipiell auf die regionale Ebene übertragbar ist, stellt die Abbildung des Warenaustauschs mit anderen Regionen den größten Engpass der Methode dar (s. Kap. 4.2).
Zieht man zusätzlich in Betracht, dass weiter gehende Input-Outputanalysen entlang der Wertschöpfungskette zur Identifizierung maßgeblicher Handlungsfelder und Akteure - wie sie im Rahmen der nationalen MEFR z.T. schon erstellt sowie sukzessive weiterentwickelt werden - für die regionale Ebene aufgrund des hohen empirischen Aufwands und der gleichzeitigen Abbildungsunschärfen weder realistisch noch sinnvoll sind, so scheinen die Erkenntnisgewinne aus der regionalen Stoffstrombilanz gegenüber den nationalen Materialflussrechnungen jedoch insgesamt gering zu sein.
Zusammenfassend wird hieraus der Schluss gezogen, dass die regelmäßige Erarbeitung einer vollständigen regionalen, wirtschaftsraumbezogenen Stoffstrombilanz bei der derzeitigen Datenlage keine geeignete Entwicklungsperspektive für die regionale Ebene darstellt. Vielmehr sollten die Daten der Bundesstatistik als Referenz und Entscheidungsgrundlage herangezogen werden und eine Regionalisierung des makroökonomischen Ansatzes eher auf Landesebene geprüft werden, wie es in einigen Bundesländern bereits in Angriff genommen wird (s. Kap. 4.3).
5. Die potenzielle Bedeutung von EMAS (bzw. des EG-Öko-Audits)
Für die regionale Ebene werden von einzelbetrieblichen Stoff- und Energiebilanzen die größten Erkenntnisgewinne erwartet. Allerdings ist die Situation derzeit dadurch gekennzeichnet, dass diese zwar oftmals betriebsintern angewendet werden, Informationen hierüber aber nur unvollständig vorliegen, zudem von verschiedenen, sektoral zersplitterten Umweltbehörden (Gewerbeaufsichtsämter, Abfallbehörden etc.) verwaltet werden und größtenteils dem statistischen Geheimhaltungsprinzip unterliegen, sodass sie planerisch bisher kaum nutzbar sind. Mit dem europäischen "Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung"(5) - in der vorliegenden Arbeit nach der englischen Bezeichnung "Eco-management and audit scheme" abgekürzt EMAS genannt - zeichnet sich hier ein Wandel in den Rahmenbedingungen ab, denn mit der freiwilligen Teilnahme an diesem Gemeinschaftssystem ist auch eine Offenlegung wesentlicher Informationen verbunden.
In Kapitel 5 wird deshalb dieses von der EG initiierte neue umweltpolitische Instrument einer näheren Betrachtung unterzogen, die nicht auf einzelne inhaltliche Aspekte beschränkt wird, da es sich um ein systemisches und prozessorientiertes Instrument handelt. Vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsleitbilds wird mit EMAS das Ziel verfolgt, Umweltmanagementprozesse zu initiieren, mit denen Unternehmen ihre Umweltleistungen an einzelnen betrieblichen Standorten über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hinaus selbstständig kontinuierlich verbessern sollen (s. Kap. 5.2.1). Hierfür beschreibt die EMAS-VO einen allgemeinen, verfahrensbezogenen Rahmen mit einzelnen Systemelementen und Prinzipien. Dem gegenüber wird die inhaltlich-methodische Ausgestaltung weitgehend offen gelassen (s. Kap. 5.2). Obwohl die EMAS-VO in Deutschland erst seit 1995 anwendbar ist, liegen bereits umfassende Revisionsvorschläge für die zweite Runde (EMAS II) vor, die aber keine grundlegenden Systemveränderungen beinhalten (s. Kap. 5.2.3).
Die Analyse des EMAS-Systems hat für nahezu alle Komponenten einer Zukunftsfähigen Regionalen Planung potenzielle Beiträge aufgezeigt (s. zusammenfassend Kap. 4.3.8). Diese erschließen sich dem systemischen und prozessorientierten Charakter zufolge in der gesamthaften Betrachtung, denn es werden sich selbstorganisierende, reflexive Managementprozesse initiiert, die sich bei einer weitgefassten Interpretation des theoretischen Rahmens, wie er sich aus der EMAS-VO selbst sowie dem weiteren Regelungs-Umfeld ergibt, nahezu idealtypisch in das Anforderungsprofil einer Zukunftsfähigen Regionalen Planung einfügen.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass betriebliche Stoff- und Energiebilanzen zukünftig wesentliche interne Informations- und Steuerungselemente darstellen, obwohl die EMAS-VO keine entsprechenden Vorgaben enthält. Ebenso werden zusammengefasste Zahlenangaben veröffentlicht, perspektivisch betrachtet in Form von aggregierten Stoff- und Energiebilanzen bzw. Betriebsbilanzen, sodass mit der Beteiligung am EMAS-System kontinuierliche, räumlich konkrete bzw. auf einzelne Standorte bezogene Informationen über betriebsbedingte Stoff- und Energieströme bereitgestellt werden. In wie weit diese allerdings zu regionalen Stoff- und Energiebilanzen zusammengefasst werden könnten, kann in der frühen Phase nach der ersten EMAS-Runde nicht beurteilt werden, denn dieses hängt neben der maßgeblichen weiteren Beteiligung von Unternehmen auch davon ab, in wie weit zukünftig eine Standardisierung der betrieblichen Umwelterklärungen bzw. Umweltinformationen erreicht werden kann, wenngleich bereits Weichen in diese Richtung gestellt sind.
Entgegen dem weitgefassten theoretischen Anspruch haben die ersten Praxisrunden gleichzeitig gezeigt, dass sich kein Automatismus in die anspruchsvolle Richtung einstellt. Vielmehr ist deutlich geworden, dass das Instrument zukünftig nur zu den gewünschten ökologischen Erfolgen verhelfen wird, wenn es erstens auf eine breitere Basis als bisher gestellt wird und zweitens inhaltliche Richtungsvorgaben erfährt. Dabei werden sowohl in den wissenschaftlichen Diskussionen als auch mit dem EMAS II-Entwurf Schnittstellen zur räumlichen Umweltplanung vorgezeichnet, die es zukünftig auf der regionalen Ebene entsprechend auszugestalten gilt.
6. Die potenzielle Bedeutung der Ökobilanz-Methodik
Die vornehmlich für den produktbezogenen Umweltschutz entwickelte Ökobilanzierung hebtsich als Methode zur Beurteilung lebenszyklusweiter, stoff- und energiestrombedingter Umweltwirkungen hervor, die über den breitesten Konsens verfügt. In Kapitel 6 wird deshalb der Frage nachgegangen, in wie weit die Methodik auch im regionalen Kontext angewendet werden könnte, denn mit dem Nachhaltigkeitsleitbild sind entsprechende Anforderungen verbunden.
Vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte sowie der wesentlichen Anwendungsbereiche und Funktionen (s. Kap. 6.1) werden hierfür die Grundzüge der Methodik skizziert, wie sie durch die in die ISO 14000er Reihe zum betrieblichen Umweltmanagement eingebundene ISO 14040er-Normengruppe beschrieben werden (s. Kap. 6.2). Die erzielten internationalen Konventionen liefern mit der Definition von vier Arbeitsschritten (Zieldefinition, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung, Auswertung) ein allgemeines methodisches Grundgerüst zur Beurteilung lebenszyklusweiter, stoff- und energiestrombedingter Umweltwirkungen, das prinzipiell auf jedes analytisch abgegrenzte System übertragbar ist.
Insofern konnte in der Analyse gezeigt werden, dass die Ökobilanz-Methodik im Wesentlichen Innovationen für die Bewertungs-Funktion erbringen könnte (s. Kap. 6.3), denn sie unterscheidet sich durch die beiden Kernelemente Sachbilanz und Wirkungsabschätzung grundlegend von den in der räumlichen Umweltplanung gebräuchlichen, zumeist flächenbezogenen "ökologischen Bilanzen" sowie den gängigen ökologischen Bewertungsmethoden, wie der Ökologischen Risikoanalyse oder einer ihrer zahlreichen Varianten. Weil raumspezifische Parameter dabei eine untergeordnete Rolle spielen, eignet sie sich prinzipiell für solche Problemlösungen, bei denen es um die Prüfung funktional äquivalenter, "echter" Planungsalternativen geht, also um die Frage nach der Art und Weise der Funktionserfüllung.
Im derzeitigen regionalplanerischen Aufgabenfeld wäre die Erarbeitung von Ökobilanzen daher in erster Linie eine Aufgabe der Planungsträger selbst, während von Seiten der Regionalplanung vornehmlich entsprechende Entscheidungsparameter einzufordern und in der Abwägung zu berücksichtigen wären. Daneben wäre die Ökobilanz-Methodik für informelle Leistungen von Bedeutung, z. B. zur ökologischen Beurteilung verschiedener regionaler Entwicklungsprojektalternativen im Rahmen der neueren Regionalmanagementansätze, wobei es hier in erster Linie um die Anwendung vereinfachter Ökobilanzen bzw. einzelner Ökobilanz-Bausteine ginge.
Daneben hebt sich die Ökobilanz-Methodik gerade wegen der fehlenden raumbezogenen Parameter für die sich mit dem europäischen Richtlinienentwurf zur Plan- und Programm-UVP abzeichnende neue regionalplanerische Herausforderung der Strategischen Umweltprüfung (SUP) hervor, denn hierbei sollen umweltrelevante Sachverhalte im Planungsprozess weiter vorverlagert beurteilt werden, in einer Phase, in der Umweltauswirkungen typischerweise noch nicht lokalisierbar sind.
Gleichzeitig bietet die auf funktional definierte Systeme bezogene Ökobilanz-Methodik ein methodisches Grundgerüst zur Beurteilung von Bedürfnisfeldern, die nach dem Grundkonsens über das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zukünftig das maßgebende Referenzsystem darstellen sollten, das es auch auf der regionalen Ebene weiter auszugestalten gilt, um damit das der Raumplanung zugrunde liegende Konzept der Daseinsgrundfunktionen mit Leben zu füllen.
Weil Ökobilanzen modular aufgebaut sind und die Lebenswege im Allgemeinen über regionale Grenzen hinausgehen, sollte auf der regionalen Ebene in erster Linie nach Möglichkeiten gesucht werden, einen geeigneten Informations-Pool aufzubauen.
7. Zusammenfassende Einschätzung sowie Entwicklungs- und Forschungsperspektiven
Die Analysen der regionenbezogenen Stoffstrombilanz, des EMAS-Systems sowie der Ökobilanz-Methodik haben jeweils für sich betrachtet und in Bezug auf das weit gefasste, allgemeine Anforderungsprofil einer Zukunftsfähigen Regionalen Planung unterschiedliche Potenziale aufgezeigt. Gleichzeitig sind bezüglich des innovativsten Systems EMAS auch Defizite in der Umsetzung offenbar geworden. Vor diesem Hintergrund wird in Kapitel 7 weiter gehend den Fragen nach möglichen Synergien zwischen den Methoden sowie potenziellen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Regionalplanung nachgegangen. Zusammenfassend werden aus den Ergebnissen schließlich Aufgaben für die Entwicklung und Forschung aufgezeigt.
Zur Frage nach potenziellen, methodischen Synergien lässt sich zunächst allgemein feststellen, dass die betrachteten Ansätze zwar sämtlich auf demselben methodischen Kern basieren - der Stoff- und Energiebilanzierung nach dem physikalischen Bilanzprinzip - und damit vom Grundsatz her kombinierbar sind, diesem aber insbesondere durch unterschiedliche Systemabgrenzungen erhebliche Grenzen auferlegt sind (s. Kap. 7.1.3). Zur Analyse regionaler Stoff- und Energieströme wäre insbesondere eine sukzessive Verknüpfung der makroökonomischen mit den im Rahmen des EMAS-Systems entstehenden mikroökonomischen Stoff- und Energiebilanzen von Bedeutung ("Makro-Mikro-Link"). Jedoch lassen sich auch diesbezüglich erhebliche methodische Probleme anführen, die zu lösen noch große Herausforderungen für die statistischen Behörden sowie die Normungsinstitutionen und auch den Umweltgutachterausschuss (UGA) darstellen. Den größten Engpass stellt indes die derzeit geringe Beteiligung der Unternehmen am EMAS-System dar, wozu es insbesondere von staatlicher Seite noch erheblicher Anstrengungen bedarf, das System langfristig auf eine breite Basis zu stellen. Aus regionalplanerischer Sicht wird hieraus zusammenfassend der Schluss gezogen, dass regionsbezogene Analysen der wirtschaftsbedingten Stoff- und Energieströme sowohl aus top-down- als auch aus bottom-up-orientierter Sicht derzeit noch mit erheblichen Problemen behaftet sind, sodass die Ausgestaltung rein datenorientierter Analyse- und Monitoring-Funktionen im Sinne regionaler Umwelt- bzw. Stoff- und Energiebilanzen bei derzeitigem Entwicklungsstand keinen erfolgversprechenden Weg für eine zukunftsfähige Instrumentalisierung der Regionalplanung darstellen.
Planerische Perspektiven eröffnen sich dem gegenüber aus einer diskursiven und prozessorientierten Sicht heraus. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei wiederum dem neuen umweltpolitischen Instrument EMAS, denn dieses zeichnet sich vom theoretischen Ansatz her durch seinen selbstorganisierenden, reflexiven Charakter in besonderer Weise für die eingeforderten Such-, Lern- und Verständigungsprozesse zur Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung aus. Gleichzeitig bedarf es hierfür in der Praxis jedoch entsprechender Hilfestellungen, wozu von wissenschaftlicher Seite insbesondere auf nationale und regionale Umweltpläne verwiesen wird. Auch wenn von nationaler Ebene in Deutschland derzeit keine entsprechenden Entwicklungen erkennbar sind, kann aufbauend auf den in der vorliegenden Arbeit dargestellten, vorhandenen konzeptionellen Vorschlägen für die regionale Ebene ein Weg aufgezeigt werden, mit dem sich sowohl der EMAS-Baustein als auch die anderen Bilanzbausteine "gewinnbringend" miteinander verzahnen ließen.
Hierzu wird in Kapitel 7.2.2 ein Regionales Koordinationsmodell (ReKoord) entwickelt. Dieses basiert auf der Grundannahme, dass Nachhaltigkeit nur als gesellschaftlich diskursives Leitbild bestimmbar ist und die Umsetzung partizipative und selbstorganisierend gestaltete Prozesse der Konsens- und Entscheidungsfindung voraussetzt. Als wesentliche Elemente fungieren reflexive "Ziel- und Informationsmodule", die von den verschiedenen Akteuren (aus Politik, Planung, Wirtschaft) jeweils selbst zu organisieren sind. Die Aufgabe der Koordination übernimmt auf der regionalen Ebene eine weiterentwickelte Regionalplanung. Die planerische Leistung läge danach in der Gestaltung und Koordination der regionalen Zieldiskurse sowie der Organisation des Informationsflusses zwischen den verschiedenen Akteuren. Diese Funktion korrespondiert mit dem neueren, auch aus Sicht der Bundesraumordnung formulierten, weitgefassen regionalplanerischen Aufgabenverständnis, wonach die Regionalplanung zukünftig u.a. zu einem dynamischen politischen Prozess der Verständigung über regionale Zielvorstellungen wird und hierfür zunehmend auch Servicefunktionen wahrnehmen sollte. Gleichzeitig geht diese jedoch weit über den heutigen Planungsauftrag hinaus und wirft demzufolge weitreichende Fragen auf.
Vor dem Hintergrund der mit dem Modell ReKoord sowie der bereits im einzelnen aufgezeigten Entwicklungsperspektiven werden zusammenfassend Aufgaben für die Forschung und Entwicklung benannt, die es nach den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit weiter zu bearbeiten gilt, um die näher untersuchten Umweltbilanzansätze für die bzw. mithilfe der Regionalplanung zukunftsfähig einzusetzen. Hierzu gehören mit zunehmendem Weiterentwicklungsbedarf des heutigen regionalplanerischen Aufgabenfelds drei wesentliche Themenfelder:
- Die Anwendung der Ökobilanz-Methodik als Bewertungs-Tool (instrumentelle Innovation)
- Die Unterstützung des EMAS-Systems als selbstorganisierendes, reflexives Management-Tool (strategische Innovation)
- Die Weiterentwicklung der Regionalplanung zur Koordinierungsinstanz für die verschiedenen Bausteine (institutionelle Innovation)
Weiter gehend werden hierfür jeweils drei prioritäre Forschungs- und Entwicklungsaufgaben dargestellt ("3 x 3 Punkte-Katalog") (s. Kap. 7.2.2).
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Untersuchungen und Lösungsansätze der vorliegenden Arbeit geleitet vom Nachhaltigkeitsgedanken weit über eine mechanistische Erarbeitung von Bilanzen im umgangssprachlichen, kaufmännischen oder physikalischen Sinne hinausgeführt haben und in der Erkenntnis münden, dass für die Umsetzung eines offenen Planungsleitbilds wie das der nachhaltigen (Raum-)Entwicklung auch der "Mut zum ökologischen Umbau" der traditionellen Planungssysteme aufgebracht und hierfür die notwendigen politischen Weichen auf nationaler Ebene gestellt werden sollten (s. Kap. 7.3).
Anmerkungen
1. Während der Begriff "nachhaltig" hauptsächlich in Zusammenhang mit der Ressourcenbewirtschaftung verwendet wird, bezieht sich der Begriff "zukunftsfähig" in der Regel auf ein bestimmtes System (z. B. eine Kommune, Region, Staat oder Weltengemeinschaft) (vgl. Jüdes 1997, 26ff), sodass letzterer in der vorliegenden Arbeit auch für die Charakterisierung zukünftiger regionalplanerischer Funktionen verwendet wird.
2. Vereinfacht wird der Stoffbegriff in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich als Oberbegriff verwendet und umfasst chemische Elemente (z. B. Cadmium), chemische Verbindungen (z. B. Benzol), Ressourcen inklusive Energieträger (z. B. Erdöl, Metallerze), Materialien (z. B. Kunststoffe, Glas), Emissionen (z. B. Kohlendioxid), Abfälle und Reststoffe, bewegte Materie (z. B. Bauaushub, Kühlwasser). Zur Hervorhebung unterschiedlicher Umweltrelevanzen wird der Stoffbegriff daneben zur Kennzeichnung qualitativer Aspekte ("Senkenproblem") und der Ressourcenbegriff zur Kennzeichung quantitativer Aspekte ("Quellenproblem") verwendet (s. Kap. 1.3).
3. Mit dieser Bezeichnung wird das der Analyse zugrunde gelegte weitergefasste Aufgabenverständnis zum Ausdruck gebracht, das an das heutige Aufgabenverständnis der Regionalplanung anknüpft, gleichzeitig aber auch potenzielle neue Planungsaufgaben umfasst, die sich aus der wissenschaftlichen Diskussion für einen regionalen Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung ableiten lassen (s. Kap. 2.4).
4. Synonym wird diese auch bezeichnet als Mengenbilanz, Materialflussrechnung, Input-Output-Schema für Materialflüsse, Materialbilanz, Materialkonto, Stofffluss- und -strombilanz (s. Kap. 5.1.2).
5. Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93, in der vorliegenden Arbeit vereinfacht als EMAS-VO bezeichnet.